Stephan
Krawczyk: Vielseitiger Virtuose - provozierend und sinnlich
Konzertlesung in der Club Passage in Dresden
Zum
Frühlingsanfang, am 20. März 2004, gastierte zum
wiederholten Male Stephan Krawczyk in der Dresdner Club Passage.
Krawczyk, der auch als Bürgerrechtler in Erscheinung
trat und tritt, las an diesem Abend aus seinen Büchern
und spielte auf der Gitarre und dem Bandoneon.
Stephan Krawczyk
- sein Ruf als Liedermacher eilt seinen Konzerten voraus,
auch wenn er gar nicht als Liedermacher, sondern als Schriftsteller
oder Kabarettist - alias Olaf Junge - unterwegs ist. Krawczyk,
der provozierende Künstler, der musizierende Schauspieler
und Komponist von Theatermusik, der aufmüpfige Stasi-Verfolgte;
Krawczyk, der Gitarre studierte, weltweit Konzerte gab. Konzerte
- auch mit Bandoneon, was den Musiker dadurch fast zum Exoten
macht; Bandoneon, mit dem man doch fast tatsächlich üben
muss, wenn man es musikalisch ertragbar spielen möchte,
so der Autor.
Krawczyk sei charmant,
geistreich, humorvoll und (un-)gemein vital, virtuos auf der
Gitarre, wird gesagt. Auch: Er setze mit seinen neuen Liedern
und Texten kleine Leuchtfeuer in unsere Zeit. Und ja, es stimmt:
Er ist stets lebensnah und direkt, er spricht das an, was
uns alltäglich berührt. Seine Programme, seien sie
nun literarischer, musikalischer oder/und kabarettistischer
Art sind ganz und gar nicht abgehoben, sie haben Bodenhaftung,
sind ganz unkompliziert, dafür unterhaltsam. Sie sind
eine Mischung aus Momenten, in denen er den Finger schmerzhaft
mitten in eine Wunde hinein legt und aus jenen, da er mit
zauberhaften romantischen Bildern besticht.
"Wir bauen
uns ein Seidenraupennest'', singt er, und im Publikum taucht
ein erkennendes Nicken auf - im Osten sind seine Texte reichlich
bekannt, auch beliebt. Aber auch in Westdeutschland und im
Ausland hat er sich, nach seiner Ausbürgerung aus der
DDR, eine ganze Schar von Fans erspielt und ersungen. Ein
Lied später rüttelt er Träumende mit beißender
gesellschaftskritischer Ironie aus allen Wolken - nicht umsonst
spricht er in seinem Programmen von Kontrasten. Seine derbe
Sprache durchbricht der Künstler mit zartester, federleichter
Lyrik und bleibt dabei immer auf dem Boden.
"Nein, ich geb’ dir keinen Halt - bin ein schwereloser
Mann'' - fordert er Menschen zum Selbstgehen auf. Und: "Die
Zeit ist für den Augenblick bestimmt, morgen bin ich
ein anderer - mich verwandelt jeder Tag'' - diese Textzeilen
erinnern in ihrer Aussage (die heute wohl in aller Munde ist)
und auch in ihrer musikalischen Umsetzung an einen weiteren
ostdeutschen Musiker: Gerhard Gundermann.
Stephan
Krawczyk in der Club Passage Dresden
Foto: © Cornelia Eichner
Krawczyk richtet
erzählend seinen Blick auch auf das berühmte sowjetische
Raumschiff "MIR'' - wie oft hat man in den letzten 13
Jahren davon denn gehört? - und sieht darin einen Riss
in der Außenhaut des Friedens. Er wechselt das Raumschiff
und lässt uns nun die Welt von der Enterprise aus betrachten,
um Menschen verschiedener Länder zu charakterisieren
und schließlich festzustellen, dass ein Amerikaner keinen
Wodka verträgt.
Wie es scheint, mag Krawczyk Großmetaphern in seinen
Texten, um mit ihnen ganz anschaulich auf Absurditäten
und Unmenschlichkeiten aufmerksam zu machen. Kurz darauf die
Liebeserklärung an Marie - sinnlich, betörend und
berührend. Auch ein Lied für Margarethe gibt es:
"Manche sind schöner wenn sie angezogen sind - bei
Margarethe ist es anders.’’ Er erkennt: Ihr Gesäß
sei ein "Gottesbeweis’’, ihre Beine seien
"stützende Pfeiler im Paradies’’. Was
wohl Marie dazu sagen würde?
Aus seinem Buch
"Das irdische Kind'' las er an diesem Abend in Dresden
Passagen, in denen er, der nach außen gewandte, nach
seinem Selbst sucht, nach dem Ich. "Ich atmete mit dem
After'', trägt er vor und erklärt, dies sei der
Versuch, möglichst viel Luft ins Gedärm zu saugen.
Wieviel Sicht nach innen ist dem Zuhörer verträglich?
- das fragt sich der Autor jedoch nicht. Folgend berichtet
Krawczyk von Mamutsch. Mamutsch, die nicht so lieb ist, wie
sie tut, sie habe auch ihre Macken. Tatsächlich ist es
dieses Lied von Mamutsch, das es schafft, einige Zuhörende
aus der Reserve zu locken und mitzusingen.
Seine Instrumente beherrscht der Musiker, das merkt man ihm
an, das Bandoneon wirkt interessant und exotisch. Seine umfassenden
Gitarrenspielkünste hielt er während der Lesung
jedoch weitgehend zurück - das weckt Neugier auf stärker
musikalisch ausgeprägte Abende.
Das Leben ist
immer sein Thema, sagte er über die Veranstaltung vorab,
konkreter mag er sich da nicht festlegen. Somit ergibt sich
dieser Abend mit dem Schriftsteller und Musiker Krawczyk als
sinnvoller Event zum Frühlingsanfang - das Leben auffrischend,
auch wenn der Akteur zeitweise müde und resigniert wirkte.
Cornelia
Eichner für all-around-new-books.de
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