Buchbesprechung
- Rezension:
“DIE WAHRHEIT GEGEN DIE WELT” zitiert die
Autorin eine ihrer Heldinnen, Boadicea. Sie nennt es
“ihren Schlachtruf”. Und wahrlich, sich
mit diesem Buch auseinanderzusetzen, kann ohne jegliche
Übertreibung eine Schlacht genannt werden.
Das
Buch spielt in der heutigen Zeit und handelt doch von
einer vergangenen Zeit, über deren Ereignisse und
Personen sich schon viele Leute den Kopf zerbrochen
haben. Und anscheinend hat sich die Autorin so sehr
ihren irisch-stämmigen Kopf darüber zerbrochen,
dass sie ihn in den unendlichen Weiten ihres Glaubens,
ihrer Hoffnungen und ihrer zum größten Teil
weiblichen Idole verloren hat.
Das nur als kleine Warnung.
Die
Protagonistin, Maureen Paschal (!), zufälligerweise
(oder auch nicht?) eine junge amerikanische Journalistin,
wie auch die Autorin eine war, befindet sich Ende der
90er-Jahre auf einer Reise, die sie durch bzw. auf den
Leidensweg Jesu führt. Jedoch nicht aus religiösen
Gründen, wie die meisten der sie dort umgebenden
Leute, sondern aus architektonischen. Lediglich eine
Recherche - das war der Auslöser für einen
Besuch der berühmten Grabeskirche und anderer mit
Jesus in Verbindung stehender Orte. Nichts Außergewöhnliches
an sich.
Doch dann geschieht das Unerwartete. Nachdem sie auf
seltsame Weise einen altertümlichen Ring mit neun
Kreisen, die an die Konstellation der (damals noch)
neun Planeten erinnern, durch einen Antiquitätenhändler
geschenkt bekommen hat, ruht sie sich auf einer Steinbank
in der Nähe der 8. Station des Leidensweges aus.
Doch da wird sie, so wörtlich, von einem “erbarmungslosen
Blitz von Sonnenlicht” getroffen, woraufhin “ihre
Gedanken auf Reisen” geschickt werden. Sie hat
eine Vision.
Eine Frau zieht ihren Blick auf sich und beansprucht
ihre volle Aufmerksamkeit, eine Frau, deren Augen sie
um Hilfe bitten, eine Frau, die trotz des Drecks an
ihren Füßen ohne Zweifel eine Königin
ist, was unter anderem durch ihre stolze Haltung gezeigt
wird. Wie sich später herausstellen soll, war diese
höchst einnehmende Frau Maria Magdalena - auf dem
Weg zum Berg der Kreuzigung Jesu.
Und das ist der Moment, der alles in Maureen Paschals
Leben ändert.
Von
da an wird sie von diversen Visionen Maria Magdalenas,
ihres Ehemanns Jesus (auch Isa genannt) und beider Kinder
nachts in ihrem Bett heimgesucht. Sie begibt sich auf
die Suche nach einer Reliquie, von deren Existenz sie
am Beginn ihrer Suche noch gar nichts weiß. Aber
nach und nach erfährt sie, dass es ein sogenanntes
“Erbe” der Maria Magdalena geben soll. Dieses
kann jedoch so, wie es das in diesem Buch eine große
Rolle spielende Schicksal will, leider nur durch die
“Verheißene” gefunden werden - einer
Auserwählten Magdalenas und zudem aus Magdalenas
Blutlinie stammenden Person.
Wie
man sich denken kann stellt sich irgendwann heraus,
dass Maureen diese Verheißene ist. Und wie es
sich für die Verheißene gehört, findet
sie das Erbe der Maria Magdalena. Damit das Buch seinem
Namen alle Ehre machen kann, besteht das Erbe aus einer
von “Isas Ehefrau” persönlich schriftlich
festgehaltenen Schilderung der Zeit mit und um Jesus
- das, wer hätte es erwartet, “Magdalena
Evangelium“.
Und um Stoff für folgende Bücher zu haben,
endet das Buch mit Indizien und Wegweisern auf das einzig
wahre Evangelium, das von niemand geringerem als dem
Sohn Gottes selbst verfasst wurde, das Buch der Liebe,
das er selbstverständlich seiner großen Liebe,
Maria Magdalena zur Obhut gegeben hatte.
Bei
mir als Leserin entstanden, kaum, dass ich einen Blick
auf die Widmung geworfen hatte, leichte Zweifel an der
Seriosität dieser Autorin. Mir fielen nur drei
Möglichkeiten ein, warum jemand Maria Magdalena
als seine Vorfahrin nennen könnte. Erstens: Frau
McGowan hat eine gehörige Portion Humor, was an
sich ja was Symphatisches ist. Zweitens: Die Autorin
GLAUBT wahrhaftig, dass sie eine Nachfahrin Magdalenas
ist. Und die dritte Möglichkeit: Sie IST eine Nachfahrin
Magdalenas. Doch dafür bräuchte es schon stichhaltige
Beweise und keine auf irgendwelche Legenden und Sagen
basierenden Hinweise, die zudem bis zu 2000 Jahre alt
sind und dadurch leicht in einem hohen Maße verfälscht
worden sein können. Darum schloss ich die dritte
Möglichkeit aus.
Die
Tatsache, dass ich ja in Sachen Bücher eher optimistisch
eingestellt bin, brachte mich zu der Annahme, dass Kathleen
McGowan einfach Humor hat. Doch mit jeder Seite dieses
Buches wurde diese Annahme immer mehr erschüttert.
Und sobald ich das Nachwort gelesen hatte, war sie vollkommen
vernichtet, womit wir wieder beim Anfang, dem Schlachtruf
dieser Autorin wären. Ja, Kathleen McGowan hält
sich selber für eine Nachfahrin Magdalenas, also
einen Teil der “heiligen Blutlinie” und
der Verheißenen.
Dass
die Hauptperson in dem Buch dieses Evangelium gefunden
hat, wissen wir ja, aber da Maureen anscheinend das
Spiegelbild der Schriftstellerin selbst sein soll, bleibt
eine Frage offen: Nein, nicht ob sie das Evangelium
der Magdalena in Wirklichkeit gefunden hat. Eher die
Frage, welcher gefallene Engel namens Lucifer sie geritten
hat, dass sie solche Behauptungen ohne jegliche Beweise
aufstellen kann.
Keine
Frage, es ist ein Roman, und als solcher darf der größte
Unsinn in ihm stehen bzw. das, was der Phantasie oder
sagen wir besser, dem Glauben des Verfassers entwichen
ist. Aber sobald man versucht, sowas als “die
Wahrheit” an den ahnungslosen Leser zu bringen,
endet für mich die schriftstellerische Freiheit.
Ich stimme der Autorin in der Hinsicht zu, dass sicherlich
einige Tatsachen verfälscht wurden in der Geschichte,
und dass man nicht alles für bare Münze nehmen
soll, nur weil man es irgendwo liest. Und sicherlich
ist da auch was Wahres dran, dass man in solchen Zeiten
eher dazu neigte, eine Frau schlecht dastehen zu lassen,
als dass man sie einem Mann gleich- oder sogar überstellt.
Doch das heißt noch lange nicht, dass jede Frau,
die in der Geschichte eher, sagen wir, einen negativen
Eindruck macht, in “Wahrheit” lieb und nett
und vollkommen unschuldig war. Aber genauso klingt es,
wenn man dieses Buch liest.
Was positiv an dem Buch ist? Es ist einigermaßen
spannend geschrieben und hat zumindest ein paar glaubwürdige
Aspekte und Fakten geliefert, die mir persönlich
neu waren und interessant zu erfahren. Auch die äußere
Gestaltung des Buches ist meiner Meinung nach gut gewählt.
Doch alles in allem hätte ich mir mehr handfeste
Tatsachen bzw. Thesen und bessere Arbeit von Seiten
des Übersetzers gewünscht. Denn Sätze
wie: “Hart war das nicht - der Raum war voll von
…” zeugen geradezu von unsauberen Wort-zu-Wort-Übersetzungen.
Doch wem 20 Euro für die Lebensgeschichte und Vorstellungskraft
einer amerikanischen und irisch-stämmigen Journalistin
nicht zuviel sind und ein amüsierendes Buch braucht,
nur zu, bitte.
Achja, eines noch, falls man sich das Foto der Autorin
auf der Klappenseite ein bisschen näher anschaut
- das an ihrem Finger, ist das nicht ein Ring mit einem
Kreis in der Mitte, der von acht weiteren umgeben wird?
Und erinnert das nicht stark an die neun Planeten?
In
diesem Sinne: “Die Wahrheit gegen die Welt”
oder “die Welt gegen Frauen im Christentum”.
(©
2006 Caitlin Titz für all-around-new-books.de)
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